|
Statement der Künstlerin
Dem Unsichtbaren oder kaum Sichtbaren, dem Unscheinbaren und dem Verborgenen gebe ich Platz in meinem Werk. Suche die Form in einer indirekten Sichtweise. Dabei ist Natur zentral in meinem Werk, in ihr begebe ich mich auf performative Wanderungen und philosophische Gedankengänge.
Als leidenschaftliche Körpererfinderin äussert sich ein Hauptgebiet meines Schaffens im plastischen Objekt.
Unter vielen anderen Materialien modelliere ich mit gebleichtem Bienenwachs, damit baue ich Schichten um meine Eindrücke, Auseinandersetzungen und Fragen, daraus entstehen rätselhafte, irgendwie bekannte und doch fremde, exotische und zugleich intime Körper. Die naturhaften, teilweise erotischen Formen-Welten, sind einfach da in einer Selbstverständlichkeit und Eigenständigkeit, als würden sie schon lange existieren. Die Körper zeugen zugleich von Stärke und Fragilität. Ihre Oberflächen sind strukturiert, manchmal ist die Oberfläche durchbrochen, dadurch erhält man Einblick in die Innere Form der Körper, vielleicht in das Innerste von Etwas?
Das Wachs ist nur zart getönt, so behält es seine Tiefenwirkung, verstärkt die hautartige Beschaffenheit der Oberfläche. Farbe setze ich ein um zu verführen und den Körpern noch mehr Authentizität zu verleihen. Bei einigen Arbeiten nutze ich die Transparenz des Materials bewusst, installiere Licht unter dem Objekt, das dadurch aufscheint und in sich zu leuchten beginnt. Durch die Präsentation der Wachsgebilde in Vitrinen und Kästen möchte ich neben der Schutzfunktion auf den wissenschaftlichen, bzw. forschenden Charakter meiner Arbeit verweisen. Es könnte sich um Präparate, Modelle handeln.
Meist sind es sehr langsam gewachsene Körper, die ich in aufwändiger aufbauender Weise bilde.
In meinem Atelier wächst es kontinuierlich im Zeitlupentempo.
Der fünfteilige Projektzyklus LANDSCHAFTEN hat mich auf erweiterte Pfade der künstlerischen Auseinandersetzung geführt. Ich habe mir für die fünf Kapitel gezielt die Aufgabe gestellt, mich in Neuland zu begeben, mich sozusagen darin auszusetzen, habe mich bewusst auf die Reise geschickt. Als erstes erkunde ich in einer Residenz im Jahr 2005 die Wälder des Unterengadins (LUXFLABILIS), steige während mehreren Jahren hoch in die Schweizer Alpen (BERGWASSER), durchstreife Island (INSELREISE), begebe mich in der Universität Lausanne in Forschungslabors der molekularen Biologie (LICHTREAKTION), verliere mich in der Megacity Tokio (NIEMANDESLAND).
Die Wanderjahre und die Konfrontation mit unbekanntem Terrain hat also mein Schaffen verändert. Neben traditioneller Vorgehensweise mischen sich neue Medien in das ästhetisierte Werk, das ich jeweils mit den adäquaten Materialien umsetzte. Der Aufenthalt in Tokio hat einerseits das bewegte Bild provoziert aber auch manifestiert sich die Reise schlussendlich in einer spartenübergreifenden Installation, elektronische Musik und Sprache sind wichtige Teile davon.
Der Bereich Video ist zur Fotografie und zur digital bearbeiteten Fotografie dazu gekommen. Beides ermöglicht einen erweiterten Blick und ich kann die direkte Arbeitsweise, wie sie in der dreidimensionalen Arbeit automatisch gegeben ist, auch im Bild umsetzen, kann unmittelbar handeln, weiterforschen. Hierbei entsteht eine zusätzliche Ebene, sie projiziert den Aussenraum in innere Welten. Objekt ↔ Fotografie / Video greifen ineinander. Das Objekt erfährt zum Teil durch Bildbearbeitung - indem ich den erfundenen Körper ins Bild einbaue - eine räumliche Erweiterung, erzeugt im neuen Umfeld eine andere Sichtweise. Es entstehen imaginäre Räume.
Immer bleibt die Plastik ein wichtiges Element im künstlerischen Werk. Gebildet sind die Objekte aus verschiedensten Materialien wie: Wachs, Gips, Kunststoffe, Plastik, Holz, Papier... Manchmal beziehe ich Naturteile mit ein. Für NIEMANDESLAND falte ich aus Papier in Origamitechnik ein riesiges «schwebendes Stadtfeld» und «Türme», die sich auf einer vergoldeten Wolke als Karussell im Kreis drehen und als Hülle der Installation baue ich ein 30 Meter langes, mehrteiliges Zelt mit blauer Abdeckplane.
Aus den Erlebnissen und Erkenntnissen der letzten Jahre möchte ich Verbindungen schaffen, Teile heraus nehmen und neu zusammen fügen. Suchen, forschen, immer mit dem präsenten Gedanken etwas Ganzheitliches, Vielschichtiges zu bilden auch wenn es sich dabei um einen Mikrokosmos handelt.
Ein steter Begleiter während der Wanderjahre ist mir das Zeit-Mass-Objekt, ZMO, 2003-2013. Als sicheren Hafen könnte ich die Plastik bezeichnen, die ich aus daumennagellangen Wachszellen aufbaue. Auch hier habe ich mir eine Aufgabe gesetzt: Im 2003 beschliesse ich für 10 Jahre Zellen aus Bienenwachs geformt fast schon in meditativer Arbeitsweise aneinander zu fügen, bestimme mindestens 26 Stunden pro Monat daran zu arbeiten und am Ende jedes Monats das Wachstum fotografisch fest zu halten, die Arbeitsstunden und den Wachsverbrauch aufzurechnen.
Wichtig ist mir, all meinen Arbeiten eine Offenheit zu belassen, die es dem Betrachter ermöglicht, einen eigenen Raum zu konstruieren, seiner Geschichte damit Gestalt zu geben.
Mit meinem Werk möchte ich mich auch für Nachhaltigkeit einsetzen, damit uns ein Nährboden als unserer Lebensgrundlage erhalten bleibt, worauf Zauberhaftes und Kostbares wachsen kann.
Sylvia Hostettler
|